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Wir sind die Neuen
By Doreen Butze | August 19, 2014
Seit 17. Juli 2014 läuft der von X Verleih vertriebene Film Wir sind die Neuen erfolgreich in den deutschen Kinos.
In Ralf Westhoffs drittem Langfilm (Nach Shoppen und Der letzte schöne Herbsttag) dreht sich alles um den Kleinkrieg der Generationen, der in einem Münchner Mietshaus ausgebrochen ist. Wer feierwütige Studenten und gesetzte ältere Damen und Herren erwartet, wird hier überrascht. Denn Westhoff dreht den Spieß einfach um und spielt die ländläufigen gesellschaftlichen Vorurteile geschickt gegeneinander aus. Das dies außerdem noch ungemein locker und sehr unterhaltsam daher kommt, ist den gut aufgelegten Schauspielern, allen voran Giesela Schneeberger (bekannt aus zahlreichen Gerhard Polt Filmen) sowie den hervorragend geschriebenen und pointierten Dialogen zu verdanken.
München ist ein teures Pflaster. Dies muss sich auch Anne (Giesela Schneeberger) eingestehen. Die ehemalige Biologin kann die Miete für ihre Wohnung nicht mehr aufbringen und so nimmt sie Kontakt zu ihren ehemaligen Mitkommilitonen, dem schüchternen Juristen Johannes (Michael Wittenborn) und dem schon etwas welken Womanizer Eddie (Heiner Lauerbach) auf, um mit ihnen wieder eine WG zu gründen, so wie früher zu ihren wilden Zeiten in den 70ern. Eine Wohnung ist bald gefunden, doch drei eifrige und übermotivierte Studenten Katharina (Claudia Eisinger), Barbara (Karoline Schuch) und Thorsten (Patrick Güldenberg) machen ihnen das Leben schwer.
In Wir sind die Neuen greift Westhoff viele gesellschaftlich aktuelle Themen auf, z. B. Altersarmut, Leistungsdruck oder Selbstoptimierung. Mit viel Witz aber auch mit viel Wärme beleuchtet er die verschiedenen Lebensentwürfe der Protagonisten und stellt sie gegeneinander. Auf der einen Seite die verkauzte WG der Altlinken, die gerne bei Rotwein am Küchentisch immer noch ihren großen Idealen nachhängen, über den Sinn des Lebens philosophieren und auch lauten Parties nicht abgeneigt sind. Auf der anderen Seite die durchorganisierte WG der Studierenden, die auf der Kehrwoche bestehen und keinen Lärm dulden, weil die Examen vor der Tür stehen und von früh bis in die Nacht gelernt werden muss. Die vermeintlichen High Potentials wollen schließlich Karriere machen und nicht so enden wie die drei juvenilen 60-jährigen Versager in ihrer “Armen-WG”. Aber letztendlich kommt es doch ganz anders: Thorsten leidet unter Zwängen und einem Bandscheibenvorfall. Katharina ist nervlich an Ende, ob des überbordenden Lernstoffes. Die unter dem Leistungsdruck langsam dahinbröckelnde Gesundheit der Studies bleibt natürlich auch Anne, Eddie und Johannes nicht verborgen. Und so findet, nach zahlreichen Hilfsangeboten, eine Annäherung der beiden verfeindeten Mietparteien statt. Dabei zeigt Westhoff sehr schön, wie die Jüngeren von den Älternen profitieren können, weil diese mehr Lebenserfahrung sowie Gelassenheit haben. Nur wenn die Generationen sich austauschen und miteinander Leben, kann es eine gesellschaftliche Weiterentwicklung geben. Dieses Credo des Regisseurs schwingt den ganzen Film hindurch mit.
Ralf Westhoff, der hier, wie schon in seinen anderen Filmen, auch als Drehbuchautor fungierte, zeigt wiederholt ein feines Gespür für seine Charaktere. Im Fokus stehen dabei eindeutig die drei älteren Protagonisten, die durch seine liebevolle Charakterzeichnung viele Sympathiepunkte beim Publikum sammeln: Johannes ist eher der schüchterne Intellektuelle während Eddie den Charmeur mit Herz gibt und die bodenständige Anne sich mit viel Pragmatismus und Empathie den Dingen stellt. Neben den tollen Hauptdarstellern funktioniert der Film besonders gut durch die punktgenaue Dialogdramaturgie und die daraus resultierende Situationskomik. Zu den bissigen, manchmal auch zynischen Wortwechseln gesellen sich, wohldosiert eingestreut, auch leise und nachdenklichen Töne, z. B. nach der Richtigkeit des eigenen Handelns im bisherigen Leben. Wir sind die Neuenist eine wunderbar leichte und gleichzeitig kluge Komödie, die es geschickt vermeidet in Sentimentalitäten abzudriften. Stattdessen präsentiert sie uns ein optimistisches Bild vom Zusammenleben verschiedener Generationen.
Völlig zu Recht er hielt Wir sind die Neuen auf dem 32. Filmfest München den Förderpreis Neues Deutsches Kino in der Kategorie “Regie”. Der Film läuft derzeit noch in den Kinos. Also schaut ihn euch an. Es lohnt sich!
Topics: Film Reviews, German Film | Comments Off on Wir sind die Neuen
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